Wenn man in Unternehmen über Transformation spricht, geht es schnell um Strukturen, Prozesse, Technologien oder Strategien. Kaum jemand spricht über Kultur.
Viele Führungskräfte halten sie für ein „weiches Thema“, etwas, das man später macht, wenn die harten Fakten geklärt sind. Manche sagen sogar: „Kultur brauchen wir nicht, wir haben eine Strategie.“
Doch genau hier liegt der Irrtum.
Kultur ist kein Add-on. Sie ist das System im System, das alles beeinflusst, sichtbar und unsichtbar.
Sie wirkt in Meetings, in Entscheidungen, in Feedbackrunden, in der Art, wie Konflikte ausgetragen oder vermieden werden.
Und sie entscheidet darüber, ob eine Transformation fließt oder blockiert.
Kultur läuft immer mit, ob wir wollen oder nicht
Viele Organisationen behandeln Kultur, als wäre sie ein Projekt mit Enddatum. „Wir machen jetzt mal Kulturwandel“ als könnte man sie fertigstellen wie ein Software-Update.
Aber Kultur lässt sich nicht implementieren. Sie läuft mit, in jeder E-Mail, in jedem Gespräch, in jeder Priorisierung.
Kultur ist der unsichtbare Code, der bestimmt, wie Menschen in einem Unternehmen miteinander umgehen, was als „normal“ gilt und was nicht.
Wenn man sie ignoriert, beeinflusst sie trotzdem alles, nur unbewusst.
Das ist, als würde man die Architektur eines Hauses umbauen, ohne zu wissen, wie die Statik funktioniert.
Kultur ist das, was Systeme verbindet und unterscheidet
In jedem Unternehmen wirken viele Kulturen gleichzeitig. Die IT hat eine andere Logik als die Personalabteilung, die Personalabteilung eine andere als das Management.
Diese Subkulturen sind nicht das Problem, sie sind Teil der Realität.
Schwierig wird es nur, wenn man glaubt, es gebe „die eine“ Unternehmenskultur, die man durch Kommunikation und Werteposter einfach verordnen kann.
In der Praxis geht es darum, Brücken zwischen diesen Kulturen zu bauen, einen Raum für Austausch und Übersetzung zu schaffen.
Denn was der eine als Offenheit empfindet, interpretiert die andere vielleicht als Unsicherheit.
Was für die IT selbstverständlich logisch ist, klingt für andere Fachbereiche wie Fremdsprache.
Hier braucht es interkulturelle Kompetenz, nicht nur zwischen Nationen, sondern zwischen Funktionen, Generationen und Denkstilen.
Jede:r bringt eigene Kultur mit
Oft wird vergessen, dass auch jede einzelne Person ihre eigene kulturelle Prägung mitbringt: durch Herkunft, Ausbildung, berufliche Erfahrung, Generation oder Branche.
Diese individuellen „Mikrokulturen“ treffen in Organisationen aufeinander und formen gemeinsam das, was wir Unternehmenskultur nennen.
Wenn ich in Workshops beobachte, wie Teams miteinander sprechen, sehe ich genau das: verschiedene Realitäten, verschiedene Sprachen, verschiedene Annahmen darüber, was „normal“ ist.
In einem Unternehmen zum Beispiel wollte das Management mehr Eigenverantwortung fördern. Die Mitarbeitenden verstanden das als „die Führung zieht sich zurück“.
Erst als wir in Co-Creation-Formaten offen über diese unterschiedlichen Bedeutungen gesprochen haben, entstand ein gemeinsames Verständnis und damit echte Bewegung.
Kultur sichtbar machen mit Modellen, die Orientierung geben
Um Kultur zu begreifen, hilft das Modell der Kultur-Zwiebel (nach Edgar Schein, 2010).
An der Oberfläche liegen die Artefakte also das Sichtbare: wie Menschen reden, wie Büros gestaltet sind, welche Rituale gepflegt werden.
Darunter liegen die Werte und Normen, die das Verhalten begründen: was als „gut“ oder „richtig“ gilt.
Ganz im Inneren liegen die Grundannahmen, unbewusste Überzeugungen, etwa darüber, wie Führung funktioniert oder welche Rolle Fehler haben dürfen.
Ein weiteres hilfreiches Bild ist der Kultur-Eisberg (nach Edward T. Hall, 1976). Nur etwa 10 bis 20 Prozent der Kultur sind sichtbar, 80 bis 90 Prozent liegen unter der Oberfläche.
Die sichtbare Spitze besteht aus Regeln, Zielen, Kleidung, Sprache. Darunter liegen Emotionen, Werte, Glaubenssätze.
Wenn man also Transformation nur an der Oberfläche gestaltet mit Prozessen und Technologien ohne die darunterliegenden Schichten zu bewegen, bleibt sie wirkungslos.
Ein Praxisbeispiel: Kulturarbeit von innen heraus gestalten
In einem Projekt mit einer öffentlichen Verwaltung stand die Frage im Raum:
Wie können wir Arbeitsräume schaffen, die Innovation fördern und eine neue Form der Zusammenarbeit ermöglichen?
Es gab kein fertiges Konzept. Keine fertigen Pläne. Nur eine Idee und die Bereitschaft, sie gemeinsam zu entwickeln.
Wir haben Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen an einen Tisch gebracht: Mitarbeitende aus der Verwaltung, Auszubildende, Facility Manager, die für Arbeitssicherheit zuständig waren, die IT, die für die technische Infrastruktur verantwortlich war, und den Gesundheitsmanager.
Gemeinsam haben wir Konzepte erarbeitet, Perspektiven abgeglichen und verstanden, dass es nicht nur um Raumgestaltung geht, sondern um Kulturgestaltung.
Wie wollen wir hier zusammenarbeiten? Was bedeutet Vertrauen für uns? Wie schaffen wir Akzeptanz, damit Neues nicht nur toleriert, sondern gelebt wird?
Der Prozess war bewusst iterativ aufgebaut. Wir haben getestet, reflektiert, angepasst, immer wieder.
Am Ende stand kein fertiges Handbuch, sondern ein gemeinsames Verständnis darüber, wie Arbeit sich in diesem System verändern darf.
Das war der eigentliche Erfolg: nicht das Design der Räume, sondern das Entstehen einer neuen Haltung.
Kultur ist ein Prozess kein Ergebnis
Kultur kann man nicht machen, man kann sie nur pflegen.
Sie ist wie ein Garten, der wächst, wenn man sich um ihn kümmert und verwildert, wenn man ihn ignoriert.
Jede Entscheidung, jedes Meeting, jede Führungshandlung ist ein Samen, der in diesem Garten Wirkung entfaltet.
Kulturveränderung heißt deshalb, bewusst in diesen Garten zu schauen: Was wächst da? Was braucht Pflege? Was sollte Platz für Neues machen?
Das ist kein einmaliger Workshop, sondern ein kontinuierlicher Dialog zwischen allen Beteiligten.
Transformation gelingt nicht trotz, sondern durch Kultur.
Denn sie ist die Energie, die alle Systeme verbindet und manchmal auch trennt.
Fazit: Kultur ist kein Extra sie ist der Puls der Organisation
Unternehmenskultur ist kein Thema für nebenbei. Sie ist der Herzschlag, der alles andere beeinflusst.
Wenn Organisationen sie nicht auf dem Schirm haben, handeln sie in der Illusion, dass Strukturen und Prozesse unabhängig von Menschen funktionieren.
Doch Menschen gestalten Systeme und Menschen sind Kulturträger.
Wer Transformation führen will, muss lernen, Kultur zu lesen: in Gesprächen, in Entscheidungen, in der Stille dazwischen.
Erst dann entsteht die Tiefe, die Wandel wirklich trägt.
Trusted Advisor CTA
Ich begleite Organisationen dabei, ihre Kultur nicht zu „managen“, sondern zu verstehen und zu gestalten als lebendigen Teil ihrer Transformation. Gemeinsam schaffen wir Räume, in denen unterschiedliche Kulturen sich begegnen, voneinander lernen und gemeinsam wachsen.
👉 Lassen Sie uns sprechen, wie Sie Kultur als Kraftquelle Ihrer Transformation aktivieren können.
